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Mit der Wahl eines gemeinsamen Bürgermeisters entstand 1850 aus den vor etwa 500 Jahren unmittelbar nebeneinander gelegenen Siedlungen Rudelsdorf und Kleinhan die bis 1946 selbstständige Gemeinde Rudelsdorf im Erzgebirge. Von beiden Dörfern, die heute nur noch als Reste bei 850 m NN auf dem Kamm des böhmischen Erzgebirges existieren, ist keine Gründungsurkunde bekannt. Die Herkunft der ersten Siedler und die Gründe ihrer Ansiedlung können deshalb nur vermutet werden. Nicht belegte Überlieferungen besagen, dass dies unter der Grundherrschaft des Johann von der Weitmühl geschah, der Westfalen und Thüringer als Holzfäller und Köhler zur Nutzung der unendlichen Wälder entlang des schon im 13. Jahrhundert erwähnten Fernwegs, der so genannten "Comotauer Straß", angeworben haben soll, um den zunehmenden Bedarf an Holz und Holzkohle für die Erzbergwerke der Region zu sichern.
Eine Ersterwähnung der Siedlungen ist durch eine Anordnung der Herrschaft Rothenhaus aus dem Jahr 1554 bekannt, in der Kleinhan, Rudelsdorf und Brandau zum Sammeln des für die Alaungewinnung bei Görkau benötigten Urins angehalten wurden. Weitere Erwähnungen sind mit der "Ladunger Begnadigungsurkunde" von 1590, den Ermittlungen der Herrschaft Rothenhaus von 1651 über die Glaubenszugehörigkeit der Untertanen, dem Mannschaftsbuch von 1652/53 und der Steuerrolle von 1654 von beiden Orten bekannt. Die Bezeichnung der Anwesen erfolgte teilweise als Handgüter oder Häuslerwirtschaften (Kleinstlandwirtschaften).
Als 1766 der österreichische Kaiser Josef II. West- und Nordböhmen inspizierte, kam er auch durch Kleinhan und Rudelsdorf. Dort erfuhr er vom Ortsrichter von einer fehlenden Schule und Kirche. Für beides wurde von ihm der Bau angeordnet. Schon 1767 wurde der Schulbau in Kleinhan abgeschlossen. Auswirkungen von Kriegen verzögerten den Beginn des Kirchenbaus. Dieser erfolgte 1787 und konnte mit der Weihe der Dreifaltigkeitskirche in Kleinhan am 9. Oktober 1791 abgeschlossen werden.
Bei der Volkszählung vom 31.12.1900 wurde neben den Einwohnern auch die Dorfflurgröße von insgesamt 1.114 ha ermittelt. Es wurden 86 Häuser erfasst, von denen sich 22 in Kleinhan und 64 in Rudelsdorf befanden. Mit 51 Männern und 59 Frauen in Kleinhan sowie 221 Männern und 233 Frauen in Rudelsdorf bewohnten damals 454 Personen die Gemeinde.
Nach dem verloreren Ersten Weltkrieg und der Gründung der Tschechoslowakischen Republik ergab die Volkszählung von 1920 einen Rückgang der Dorfbewohner auf 377 Personen, der nicht allein mit Kriegsopfern begründet werden kann. Trotzdem blieb die Dorfstruktur erhalten. Drei Gasthäuser, eine Schmiede, ein Tischler, ein Schneider, drei Holzhändler, ein Kolonialwarengeschäft und drei "Tabaktrafiken" (Tabakhändler) waren zu dieser Zeit im Ort ansässig. Von den vorwiegend als Waldarbeiter und teilweise in der Holzindustrie in den Nachbargemeinden, auch als Heimarbeiter oder im Bergbau bei Brüx tätigen Bewohnern wurden im Nebenerwerb Häuslerwirtschaften betrieben. Die größten Landwirtschaftsbetriebe befassten sich mit ihren Pferden auch als Fuhrunternehmer mit dem Holztransport aus den umliegenden Wäldern in die entfernten Sägewerke, teilweise bis nach Sachsen. Aus verschiedenen Gründen war Rudelsdorf aber noch immer ohne Stromanschluss.
Eine falsch betriebene Nationalitätenpolitik, die der großen deutschen Minderheit in einem geschlossenen Siedlungsgebiet entlang der Grenze zu Deutschland entsprechende Freiheiten verweigerte, führte zu politischen Spannungen, die die tragische Forderung nach einem Anschluss an Deutschland begünstigten. Ab Oktober 1938 gehörte Rudelsdorf dann zum faschistischen Deutschen Reich. Schon im September 1939 mussten die wehrpflichtigen Männer des Dorfes in den Zweiten Weltkrieg ziehen. Das führte auch zu großen Veränderungen im Dorf. Eine Zwangswirtschaft mit Lebensmittelkarten und Ablieferungspflicht für landwirtschaftliche Produkte wurde eingeführt. Fehlende Arbeitskräfte mussten durch gefangenen Soldaten und Zwangsarbeiter, die auch aus dem Ausland kamen, ersetzt werden. Trauer um die Kriegsopfer an der Front und Luftangriffe feindlicher Bomer beherrschten immer mehr den Alltag.
Am 9. Mai 1945 rollten russische Panzer durch das Dorf und signalisierten das Kriegsende. Die russische Besatzung erfolgte am nächsten Tag, wurde aber später von tschechischen Milizionären abgalöst, die sich als Partisanen bezeichneten. Führende NSDAP-Mitglieder des Dorfes wurden in einem Straflager bei Brüx eingesperrt. Ab Juni 1945 blieb ein von den Milizionären misshandelter und anschließend weggebrachter Mann verschollen. Am 11. Juli 1945 folgte als "Rache" für den Tod eines Milizionärs die Erschießung von 8 unschuldigen Männern des Dorfes, obwohl dieser von seinen eigenen Leuten im berauschten Zustand beim leichtsinnigen Umgang mit Waffen angeschossen worden war und vor seinem Tod im Krankenhaus in Brüx den Vorfall noch aufklären konnte. Wegen eines geringen Vergehens wurde im August 1945 das 10. Terroropfer aus Rudelsdorf im Straflager erschossen. Im September 1945 erfolgte die erste "wilde" Vertreibung von 10 Familien direkt über die Grenze nach Sachsen. "Ungehorsame" Frauen, darunter auch Jugendliche, die von der Zwangsarbeit in der Landwirtschaft in der Nähe von Brüx unerlaubt fern blieben, kamen in ein Straflager.
Mit der "regulären" Vertreibung der meisten Dorfbewohner am 8. September 1946 wurde die deutsche Gemeine Rudelsdorf im Erzgebirge ausgelöscht. Ab 1947 wurden Rudelsdorf als Rudolice v Horach und Kleinhan als Maly Haj Ortsteile von Hora Svate Kateriny, dem einstigen Katharinaberg. Zu dieser Zeit bewohnten noch 46 Deutsche das Dorf, die als Bergleute und Holzfäller gebraucht wurden. Bleiben durfte auch der deutsche Pfarrer, Josef Zimmerhackl. Er übernahm für die umliegenden entvölkerten Gemeinden Brandau, Katharinaberg, Gebirgsneudorf, Göttersdorf, Kallich bis nach Quinau und Sebastiansberg die Seelsorge. Überlastung und politische Repressalien führten 1956 zu seinem plötzlichen Tod. Seit 1927 hatte er in Kleinhan gewirkt und wurde dort auch zur letzten Ruhe gebettet. Von den wenigen verbliebenen Deutschen wird sein Grab noch immer gepflegt. Auch "ihre" Kirche versuchten sie, vor dem Verfall zu bewahren. Es gelang aber nicht, die Kräfte der Natur und räuberische Menschen von ihr fern zu halten.
Nachdem die politischen Wende 1989 allen Vertriebenen in Ost- und Westdeutschland die freie Einreise in die Heimat ermöglichte, trafen sich dort im Oktober 1991 die Vertriebenen mit den Dorfbewohnern zu einem Festgottesdienst anlässlich des 200. Kirchweihjubiläums. Vorher war das bis dahin geheim gehaltene Massengrab mit einem Kreuz und einem Gedenkstein versehen worden. So konnte erstmals ein Gedenken an die 10 Terroropfer von 1945 und die kirchliche Segnung der Gedenkstätte stattfinden. Weitere Treffen mit Gottesdiensten folgten und regten zum Erhalt der Heimatkirche als Versöhnungstreffpunkt an. Eine Anfrage bei Bischof Dr. Josef Koukl in Leitmeritz bestätigte Erhaltungsabsichten der Kirche. Mit einem Spendenkonto in Deutschland wurden ab 1997 erforderliche Baumaßnahmen von den Vertriebenen unterstützt. Auch von den deutschen evangelischen Grenzgemeinden Deutschneudorf, Deutscheinsiedel und Seiffen wurden ab dieser Zeit ökumenische Gottesdienste mit tschechischen katholischen Geistlichen zu Gunsten der Kirche in Maly Haj abgehalten. So konnte 1998/99 das Kirchendach neu eingedeckt, ein Stromanschluss installiert ein neues Eingangstor eingebaut und teilweise der Außenputz erneuert werden. Wegen des geringen Bekenntnisses der Tschechen zum christlichen Glauben und der mangelnden Zusammenarbeit mit tschechischen Kirchenvertretern sowie durch das zeitbedingte nachlassende Interesse der Vertriebenen sind die angestrebten Versöhnungserfolge aber als bescheiden zu bewerten.
Vom einstigen Rudelsdorf im Erzgebirge sind neben der Kirche heute noch 20 Häuser erhalten. Davon sind nur noch 8 ständig bewohnt, der Rest dient als Wochenendhäuser. Seit 1958 gibt es Strom und nach 1990 erhielten alle Häuser einen Telefonanschluss. Auf dem Friedhof in Maly Haj sind teilweise noch alte Gräber aus der Zeit um 1920 erhalten; er wird auch noch für Bestattungen genutzt. Das Massengrab der Terroropfer wurde durch Spenden der Hinterbliebenen 2006 mit tschechischer Hilfe als Gedenkstätte neu gestaltet.
Ewald Matz